Joachim
Es ist ja allgemein bekannt, dass personalisierte Suchergebnisse der Untergang des christlichen Abendlandes sind, aber darf ich mal fragen, warum?
Das Ergebnis einer personalisierten Suche hängt nicht nur vom eingegebenen Suchbegriff ab, sondern außerdem von anderen Dingen, die die Suchmaschine von mir weiß zu wissen meint. Ein Cookie in meinem Browser verbindet die Suchanfrage mit einer ID, die sich vielleicht, vielleicht auch nicht mit meiner bürgerlichen Identität verbinden lässt. Die Suchmaschine kennt Suchgeschichte und ein paar persönliche Daten, die unter dieser ID gespeichert sind, und gibt mir ein anderes Ergebnis als Klaus Müller, der zu gleichen Zeit denselben Begriff eingegeben hat.
Das gibt es natürlich auch in der Light-Version: Es ist vielleicht gar kein Cookie auf meinem Browser gespeichert oder die Suchmaschine wertet ihn nicht aus. Sie kennt aber meine IP-Adresse und schließt daraus auf meinen Standort; sie kennt die Spracheinstellung meines Browsers und schließt auf meine Muttersprache; sie kennt die Browserkennung und schließt auf Betriebssystem und technischer Knowhow; sie nimmt an, dass ich derselbe bin, der diese IP in den letzten Stunden benutzt habe. Wieder kann die Maschine ihre Informationen nutzen, um mir andere Ergebnisse zu liefern als Klaus Müller sie bekommt.
Bei nicht-personalisierter Suche hängt das Ergebnis dagegen nur vom Suchbegriff und von der Suchmaschine (ihrem Algorithmus und ihrer Datenbank) ab. Das ist Basisdemokratisch und viel besser. Chancengleichheit: Jedem und jeder dieselben Ergebnisse. Ist es nicht das, was wir und alle wünschen. Ich weiß nicht was ihr euch wünscht aber ich sehe das anders.
Dierk
Schmaler Grat das ist. Ich habe meine Google Suche so eingestellt, dass sie ‘keine persönlichen Ergebnisse’ liefert, sprich G+ und so ignoriert. Der große Vorteil ist, dass ich wirklich Neues entdecke, nicht nur Dinge, die sich ohnehin bereits in meiner Komfortzone befinden. Selbstverständlich muss ich dann möglicherweise auch einmal länger in den Ergebnissen blättern, um genau das zu finden, was ich gerade im Moment brauche. Doch auch das bringt mir Neues nahe.
Es ist mir klar, dass die ausgeworfenen Ergebnisse trotz meiner Einstellung immer noch auf Grundlage älterer Suchanfragen oder auch anderer Informationen, die Google in Cookies bzw. auf deren Servern hinterlegt hat, basieren. Zumindest bisher kann ich damit leben.
Sehr gut leben kann ich mit targeted advertising oder individueller Werbung. Da verstehe ich überhaupt nicht, wo das Problem liegt – außer in der prinzipiellen Frage, ob ich mich in der Öffentlichkeit produziere [Blogartikel, Twitter, Facebook, auch Googlesuchen] und möchte, dass jemand das bemerkt. Werbung ist ja vor allem aus zwei Gründen besonders nervend: Sie drängt sich zu ungünstigen Zeitpunkten auf, und sie zeigt mir Produkte/Dienstleistungen, die mich überhaupt nicht interessieren. Zumindest der zweite Punkt kann jetzt, so behaupten Suchmaschinen und Onlinewerbeexperten, ausgeschaltet werden. Obwohl ich nicht den Eindruck habe, dass es funktioniert.
Joachim
Lass uns mal beim Suchen bleiben. Die Werbung ist ein anderer Punkt. Ich sehe nicht, was der Vorteil für mich sein soll, dieselben Suchergebnisse zu bekommen, wie alle anderen. Ich habe ja nun mal andere Interessen und eine andere Vorbildung. Wenn ich nach “Kohärenz” suche, ist es eben deutlich wahrscheinlicher, dass ich Seiten suche, die sich mit Licht beschäftigen, als dass ich sprachliche Kohärenz meine. Und wenn ich doch mal etwas ungewöhnliches Suche, halte ich mich für kompetent genug, die Suche weiter zu spezifizieren.
Ich habe bei den Beschwerden, die ich über personalisierte Suche lese, eher den Eindruck, dass da Misstrauen dahintersteckt. Google könnte die Informationen über mich missbrauchen und mich bei der Suche bewusst täuschen. Das ist natürlich möglich. Der Konzern könnte sich gegen mich persönlich verschwören und mir bestimmte Seiten vorenthalten, die er anderen zeigen würde. Aber wo ist das Motiv? Warum sollte ein wirtschaftlich handelndes Unternehmen so etwas machen?
Die Gefahr von Missbrauch der Marktmacht ist natürlich da. Aber sie liegt eher auf der Anbieterseite. Google könnte versucht sein, Seiten zu bevorzugen, von denen es profitiert. Seiten, die Adsense-Werbung schalten oder Youtube-Videos verlinken. Es könnte Seiten von Mitbewerbern unterdrücken oder zumindest benachteiligen. Aber all das kann es auch ohne Personalisierung.
Oder liegt das Missverständnis vor, Suchergebnisse, die nicht personalisiert sind, seien umfassender und weniger selektiv? Das scheint die Motivation für deine Einstellung zu sein, Dierk. Aber ich sehe nicht, dass das Sinn macht. Entdeckst du dadurch wirklich mehr Neues als ich? Ich bezweifle das. Auch mir zeigen sich nicht bei jedem Suchbegriff dieselben Ergebnisse. Das wichtigste Kriterium ist immer noch die Suchphrase. Je detaillierter die ist, desto besser passen die Ergebnisse. Und wir beide bekommen nicht das ganze Netz zu sehen. Wir bekommen eine kleine Auswahl. Deine nach dem vermeintlichen Geschmack des durchschnittlichen Google-Users, meine nach meinem vermeintlichen Geschmack.
jhermes
Ich denke nicht, dass Google groß Geschmacksmuster seiner User erhebt. Google ist so erfolgreich geworden (und für Internetzeitrechnung schon jetzt eine Ewigkeit erfolgreich geblieben), weil der PageRank-Algorithmus damals den von dir erwähnten durchschnittlichen Geschmack so exakt getroffen hat. Durch den Erfolg wurde Google zu einem Katz- und Maus-Spiel mit Search-Engine-Optimierern gezwungen, die Googles Technik dauernd dazu ausnutzen wollen, Suchergebnisse jenseits des guten Massengeschmacks hoch in der Ergebnisliste zu platzieren. Inzwischen weiß man nicht mehr so genau, wie Google jetzt ranked, es wird geheim gehalten, um eine kleinere Angriffsfläche zu bieten. Dieses Nichtwissen sorgt natürlich für unangenehme Beigeschmackerl, vor allem, weil jede|r unschwer erkennen kann, welche machtvolle Stellung in der Welt Google (gegründet auf die Implementation eines einzigen Algorithmus) inzwischen errungen hat. Da ist es vielleicht einfacher zu akzeptieren, dass man nicht persönlich von unbekannten Vorgehensweisen beliefert wird, sondern allen das gleiche blüht.
Laut Dokumentation und leicht überprüfbar nutzt Google tatsächlich (zumindest bisher) lediglich ein Protokoll über die bisherigen Suchanfragen und die daraufhin besuchten Webseiten (angemeldet aufm Google-Server, unangemeldet in Browser-Cookies), das zu jedem Zeitpunkt deaktiviert/neu gestartet werden kann. Ebenso lassen sich die anderen kleinen Helferlein (Rechtschreibkorrektur, Flexionsendungsinterpretation etc.) einfach durch die Einstellung verbatim (auf der deutschen Webseite inzwischen in wortwörtlich umbenannt) ausschalten. Suchen wie 1998 sach ich dazu immer. Katz und Maus spielt Google da übrigens mit mir als Computerlinguistik-Dozenten. Jedes Jahr zeige ich den Studierenden, was Google morphologisch noch nicht kann, jedes Jahr legen sie nach. Ich finde, mensch sollte es sportlich sehen – solange Google uns die Wahl lässt, Personifizierungen einfach abzuschalten, sehe ich keinen Grund, mich über solche zu mokieren. Ob sie letztlich zu einer Zerfaserung der Gesellschaft führen, vermag ich nicht zu beurteilen. Aber vielleicht ja jemand anders hier. Ich hol mal ne Runde.
Ute
Zitat Quantenwelt:
“Das wichtigste Kriterium ist immer noch die Suchphrase. Je detaillierter die ist, desto besser passen die Ergebnisse. Und wir beide bekommen nicht das ganze Netz zu sehen. Wir bekommen eine kleine Auswahl.”
Klar. Selbst Google hat und weiß nicht alles, was im Web steht. Es ist aber ein Unterschied, ob
a) ich mich lediglich mit einem unvollständigen Datenpool zufrieden geben muss, mir im Prinzip aber wenigstens diese Menge M zu 100% zur Verfügung steht, oder ob
b) die Suchmaschine eine unbekannte Anzahl der Elemente von M ggf. obendrein unterschlägt und beim Rest eine Gewichtung vornimmt, die ich nicht spontan und gezielt ändern kann. (Und das, obwohl man doch angeblich meine Interessen im Sinn hat.)
Das macht die Ergebnisse noch unvollständiger und ist für mich daher nicht wünschenswert. Abschalten kann man die Personalisierung der Google-Suche übrigens hier: https://history.google.com/history/ Leider ist diese Funktion ziemlich versteckt. Viele User wissen weder, dass, noch wo es sie gibt. Noch so eine Sache, die mich zweifeln lässt, ob Google mit seinen Filtern wirklich (nur) die Interessen der User im Sinn hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich diese Mühe machen, ohne selbst den größten Nutzen daraus zu ziehen.
Interessant ist übrigens, dass nicht nur meine, sondern auch die Vorlieben sämtlicher anderen Sucher mein Suchergebnis beeinflussen. So zeigt Google zu bestimmten Suchbegriffen ja auch direkt Nachrichten an. Aber nicht immer. Sondern nur, wenn zu dem betreffenden Nachrichtenthema in Zeitraum X bis Y öfter als Z-mal gesucht wurde. Passiert beispielsweise in Ägypten etwas Wichtiges, so sehe ich das bei einer Suche nach “Ägypten” nicht automatisch unter den jüngsten Ergebnissen. Sondern nur, wenn schon genug andere Leute vor mir danach gesucht haben. (Und zwar in meiner jeweiligen Sprache – sonst passt es ja nicht.) Ansonsten, oder auch wenn ich generell selten auf Nachrichten klicke, sehe ich nur den üblichen Reisekram.
Das heißt, meine Chance, über wichtige Ereignisse möglichst rasch Infos zu sehen, ist nicht abhängig vom bloßen Vorhandensein der Nachrichten im Web. Sondern sie ist direkt abhängig von Interesse und Informationsstand der restlichen Sucher. Natürlich kann ich meine Suche verfeinern. Aber eben nur, wenn ich schon eine Ahnung habe, ob was passiert ist und was wohl passiert sein könnte. Informiert wird also nur, wer eh schon halbwegs informiert ist, und spontane Entdeckungen werden erschwert statt erleichtert. Hinzu kommt: Auch ein verfeinerter Suchbegriff verringert den Filter nur ein wenig, hebt ihn aber nicht auf. Das kann absolut nicht im Sinn des Users sein.
Zitat Joachim:
“Entdeckst du dadurch wirklich mehr neues als ich? Ich bezweifle das.”
Selbst wenn es nur ein einziges Mal geschieht bzw. verhindert wird, ist das meines Erachtens schon genug bzw. zu viel. Außerdem kommen zum Teil ja auch recht ärgerliche Dinge dabei heraus. Z.B. der Fall des Reiseportals, wo Usern mit Macs teurere Hotelzimmer angezeigt gezeigt wurden als Usern mit PCs. Solche Vorgehensweisen machen es Neulingen, Unerfahrenen oder schlicht simpler Gestrickten im Netz unnötig schwerer, nicht leichter. Die Chose mit den Hotelzimmern grenzt für mich jedenfalls schon ans Unmoralische.
Ich fand’s schon immer ärgerlich, wenn andere meinen, besser zu wissen als ich selbst, was für mich gut ist und was ich wollen könnte oder nicht. Ich möchte nicht bevormundet (auch wenn’s bequem erscheint), sondern wenigstens gefragt werden und selbst die Wahl haben (auch wenn’s mehr Mühe macht). Für mich sind filterlose Suchergebnisse auch eine Art bzw. eine Ausprägung der Netzneutralität.
Erbloggtes
Ihr habt drei Aspekte angesprochen, derentwegen wir eine Verselbständigung von Googles Filterkompetenz ablehnen können:
- Niemand anderes (speziell nicht Google) soll auf undurchsichtige Weise für mich entscheiden, was für mich wichtig ist und was nicht.
- Die Vormachtstellung von Google als “Startseite des Internet” oder zentrale Infrastruktureinrichtung erfordert es, eine Gleichbehandlung der Nutzer zu verlangen, so wie auf dem Marktplatz eine Gleichbehandlung der Nutzer zu verlangen ist.
- Wenn jeder auf seinen eigenen Marktplatz geht, droht dann nicht eine Zerfaserung der Gesellschaft?
Ich teile diese Besorgnisse. “Die Suchmaschine” ist eine Bedingung gesellschaftlicher Kommunikation, deren Bedeutung weiter wächst. Die Herrschaft über diese Bedingung kann nur solange der Willkür von Einzelnen überlassen bleiben, wie diese ihre Macht nicht missbrauchen. (Gerade will die EU-Kommission “ein soziales Grundrecht” auf ein kostenloses Girokonto etablieren, weil das eine Bedingung für monetäre gesellschaftliche Kommunikation geworden ist und Banken damit Schindluder treiben.) Ich gehe davon aus, dass Google weiter eine nichtpersonalisierte Suche anbietet. Ich habe aber schon search plugins für die Suchmaschinen Ixquick und DuckDuckGo installiert und nutze sie gelegentlich.
Auf einen Aspekt der Suchmaschinennutzung, der durch Google-Personalisierung beeinträchtigt wird, will ich noch hinweisen: Reproduzierbarkeit oder allgemeine Überprüfbarkeit. Ich suche in der Regel nicht bei Google, um ein Hotel zu finden, das “gut für mich” ist (also etwa am gewünschten Reiseziel und entsprechend meiner Reisekasse). Viel häufiger suche ich, um die Existenz oder gesellschaftliche Relevanz von etwas zu bewerten, etwa so wie du das für Nachrichten zu Ägypten beschreibst, Ute. Dabei sind personalisierte Ergebnisse natürlich hinderlich. Denn ich will ja gerade wissen, was andere Menschen angezeigt bekommen, die meine Suchbegriffe eingeben.
Joachim
Ich sehe schon, wir nutzen Suchmaschinen für sehr unterschiedliche Dinge. Ich möchte tatsächlich Seiten finden, die ich vorher noch nicht kannte und die relevant für meine persönliche Suchanfrage sind. Das geht mit personalisierter Suche am besten.
Der Punkt der Nachvollziehbarkeit – ihr wollt nicht, dass Google entscheidet, was ihr finden sollt – hat streng genommen nichts mit der Personalisierung zu tun. Auch bei der Standardsuche anno 1998 konntet ihr das nicht selbst bestimmen. Wie soll das auch gehen, wenn ihr die gesuchte Seite noch gar nicht kennt? Wenn ich meine Top 10 schon kenne, brauch ich keine Suchmaschine.
Was man fordern könnte, wäre ein offener Algorithmus, der es unabhängigen Expertinnen und Experten ermöglicht, die Neutralität der Suchmaschine zu überprüfen. Aber Jürgen hat schon angedeutet, was das Problem wäre: Sogenannte Suchmaschinenoptimierer (SEOs) würden einen offenen Algorithmus ausnutzen, um die Seiten der bestzahlenden Kunden ganz nach oben in die Suchliste zu bekommen. Auch das wäre nichts, was uns Suchenden entgegen käme.
Dierk
Joachim, wir beide suchen tatsächlich sehr unterschiedlich, was bei unseren sehr unterschiedlichen Fachgebieten/Interessen auch kein Wunder ist. Wenn ich, wie du im Beispiel ‘Kohärenz’, etwas ganz Bestimmtes suche, vielleicht noch auf einer Seite, die ich vor einiger Zeit aufgerufen hatte, macht es Sinn, höchst personalisierte [= vorgefilterte] Suchergebnisse vorgesetzt zu bekommen. Das ist digitale Suche, wie ich sie beim Buch im Index durchführe.
Oft suche ich nach unterschiedlichen Aspekten, Berichten, Ideen , Aufbereitungen aktueller Geschehnisse. Oder ich möchte neue literaturwissenschaftliche und philosophische Ansätze entdecken – zu einem bestimmten Buch oder Thema, aber eben nicht, was ich eh schon kenne. Die Suchmaschine soll mich nicht immer wieder zu Den of Geek, Ebert und Vulture führen, da kann ich selbst hin.
Suche ich ganz schnell eine festliegende Bedeutung oder ein Datum [historisch oder sonstwie], nutze ich ohnehin keine Suchmaschine, sondern gehe zur Wikipedia oder spezialisierten Lexika.
Lars
Ich stimme Erbloggtes hier zu: Der bisher vorherrschende Nützlichkeitsgedanke, nach dem Motto “so lange die Suche das liefert, was ich brauche, ist doch OK”, greift zu kurz. Eine universelle Suchmaschine wie Google muss man heutzutage schon als kritische Infrastruktur betrachten, und damit als gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Die Kernfunktionen der Suche sollten open source (oder verstaatlicht) sein. Das würde auf eine Suchmaschinenökonomie vergleichbar mit den Linux-Distributionen hinauslaufen – der Kern ist offen, einen Markt gibt es nur für Tools.
Hart gesagt: Enteignet Google!
Der Job einer Suchmaschine sollte darin bestehen, das Informationsbedürfnis eines Nutzer so gut es geht zu befriedigen. Das Informationsbedürfnis eines Nutzers ist per se persönlicher Natur. Die ganze Herausforderung besteht nun weniger darin, dass die Suchmaschine die Ergebnisse einer Suchanfrage findet, sondern in welcher Reihenfolge sie ihre Ergebnisse dem Nutzer präsentieren soll. Für den Nutzer ist die Ergebnisliste dann gut, wenn die Dokumente, für die er sich am meisten interessiert, möglichst weit oben in der Liste sind. Welche Reihenfolge ein Nutzer für gut befindet, ist eine ganz persönliche Sache.
AltaVista war eine Suchmaschine, die Ergebnisse in einer für den Nutzer unbefriedigenden Reihenfolge präsentiert hat. Oder besser gesagt, die Reihenfolge der Ergebnisse von Google entsprach eher den persönlichen Bedürfnissen der meisten Nutzer. Es ging also schon damals um Personalisierung, obwohl noch alles unpersonalisiert war.
Um das Informationsbedürfnis so gut wie möglich zu befriedigen gibt es zwei Möglichkeiten:
a) Der Nutzer macht sich die Arbeit: Er formuliert komplizierte Anfragen, sucht in den Ergebnislisten und verfeinert auf iterative Weise seine Suchanfrage
b) Die Suchmaschine nimmt die Arbeit durch Personalisierung ab und man kann weiterhin seine zwei oder drei Schlüsselwörter eingeben
Was sich also bei personalisierter Suche ändern sollte, ist nur die Reihenfolge der Ergebnisse und nicht die Menge der Ergebnisse selbst (wie Google das macht, weiß ich nicht). Die aktuellen Nachteile, dass man z.B. irgendwann keine interessanten neuen Informationen mehr findet, ist kein Argument gegen Personalisierung, sondern eher ein Argument gegen den aktuellen Algorithmus.
Die französische Arte-Doku “Die wilden Wurzeln des World Wide Web” (http://www.arte.tv/guide/de/047954-000/die-wilden-wurzeln-des-world-wide-web), zuerst ausgestrahlt am 14. Mai 2013, erläutert Utes Verknüpfung von ungefilterten Suchergebnissen mit Netzneutralität: Olivier Laurelli von reflets.info sagt: Netzneutralität bedeutet, dass jeder, der im Netz ist, es auf die gleiche Art wahrnimmt und von jedem beliebigen Ort auf dieselben Inhalte zugreifen kann.
Benjamin Bayart, Vorsitzender des French Data Network, ergänzt, dass Netzneutralität eine Grundbedingung freier Meinungsäußerung im Internet ist, da man andernfalls gar nicht weiß, ob das, was man sieht, so auch produziert (gemeint) wurde, oder ob etwas daran verändert ist.
Oder warum sollte ich darauf vertrauen, dass das, was mir angezeigt wird, nicht zuvor verändert wurde? Beispiel: Vielleicht schreibt der Fleischhauer ja immer kluge Sachen, aber irgendein Mittler macht sich einen Spaß daraus, es (mir?) stets nur durch einen Begriffsverdrehungsfilter hindurch anzuzeigen.
Der Zusammenhang ist mir jetzt nicht klar. Eine Personalisierte Suchseite hindert mich doch nicht daran, auf dieselben Inhalte zuzugreifen, wie alle anderen. Sie gibt mir andere Vorschläge, weil ich andere Interessen habe. Aber genau diese Vorschläge brauche ich doch. Was soll ich mit euren Suchergebnissen? Sie interessieren mich nicht. Ich habe auch nicht dieselbe Twitter-Timeline und dieselben Facebook-Meldungen, wie alle andere. Und mein Feedreader zeigt mir andere Blogs als eurer euch.
Sorry, aber Netzneutralität ist ein anderes Thema. Personalisierte Suche hindert mich nicht, an ihr vorbei oder über sie auf ungefilterte Information zuzugreifen. Im Gegenteil, sie hilft mir, die für mich interessante Information auch zu finden.
Doch, genau das: Eine personalisierte Suchseite hindert Dich daran, auf dieselben Inhalte zuzugreifen wie alle anderen. Mit Hilfe der Suche wirst Du die ungefilterte Information nicht bekommen.
Natürlich ist es schwierig, so generelle Behauptungen zu treffen. Man kann das umgehen; vielleicht auch abschalten; Google filtert vielleicht gar nicht so richtig, sondern setzt die Ergebnisse nur weiter nach unten (so ab Treffer 100 wirkt das aber so ähnlich wie wenn sie rausgefiltert wären). Google versucht, Deine Interessen zu treffen, vielleicht nicht die Interessen einer Diktatur. (Aber was ist mit lokalen/nationalen Ergebnis”optimierungen”? Warum sollte Google annehmen, dass ich eine Pizzeria hier im Ort suche und nicht irgendeine Pizzeria?)
Die Bedingung von Olivier Laurelli ist nicht so dumm. Damit wird nämlich die Unterschiedlichkeit der Netzerfahrung aus dem Netz selbst hinausverlagert in das Individuum: Dir werden andere Seiten angezeigt als mir, weil Du nach anderen Begriffen (oder Kombinationen) suchst. Dasselbe gilt für Twitter & Blogs: Du entscheidest, Du filterst.
Das Individuum filtert das Netz. Das Netz filtert nicht. Das bedeutet Netzneutralität.
” Dir werden andere Seiten angezeigt als mir, weil Du nach anderen Begriffen (oder Kombinationen) suchst.”
Ja, genau. Und ich finde das gut.