Interview mit etwas Unbekanntem

jhermesjhermes
Zwar bloggt auch Felis bei uns unter Pseudonym, doch habe ich die Kneipenkatze schon einmal im echten Leben getroffen, außerdem nimmt sie mit Bild und Stimme an unseren Planungshangouts teil. Etwas anderes ist das bei Erbloggtes. In Hangouts taucht als Bild lediglich eine Papiertüte und hernach das ER-Logo auf, Äußerungen finden nur im schriftlichen Chat statt. Wir haben uns anfangs entschieden, den Anonymitätswunsch so zu akzeptieren, und zumindest für mich kann ich sagen, dass ich mir den Austausch mit einem Anonymum sehr viel schwieriger vorgestellt hatte. Es ist sogar recht lustig, sein eigenes Bild von jemandem zu haben, von dem man weder das Geschlecht, noch die Herkunft, den Wohnort, die hauptamtlich ausgeübte Tätigkeit kennt. Alles, was ich über Erbloggtes weiß, steht in seiner Kurzbeschreibung bei uns. Den Rest habe ich mir aus Getwitter und Erbloggtem selbst zusammengereimt. Es blieb aber immer was, das ich nie zu fragen wagte, weshalb ich sehr froh bin, dass Erbloggtes diesem Interview zugestimmt hat.

Erbloggtes, schön, dass du da bist. Stell dich unseren Lesern doch mal kurz vor. *g*

ErbloggtesErbloggtes
Danke Jürgen, ich bin sehr froh, hier zu sein. Ich bin, soviel sei verraten, eine Person. Gibt’s hier auch so schicke Bauchbinden, auf denen dann steht: “Erbloggtes (33 Monate) mag TV-Talkshows, Hunde und Schokoladeneis”? Wenn jemand sowas wissen will, frage ich mich immer: Wozu? Soziale Netzwerke stellen mir penetrant Fragen nach irgendwelchen persönlichen Eigenschaften. Ich soll mich ihnen gegenüber identifizieren. Dafür hatte ich noch nie Verständnis. Also habe ich, als ich mich 2010 entschlossen habe, kreuz und quer zu bloggen, was mir so einfällt, meine Identität und meine Identifizierbarkeit ganz weit in den Hintergrund zu stellen versucht.

jhermesjhermes
Du wirst lachen, ich habe selbst auch mal unter Pseudonym angefangen zu bloggen. Allerdings Zeug, das niemanden interessierte auf einer Plattform, die keine|r kannte (Google Buzz). Neben der Erfolglosigkeit hatte ich aber auch den Drang, meine reale Identität mit einer Online-Identität zu verschmelzen. Deshalb ging ich den Weg über Klarnamen bzw. identifizierbare Avatare. Bist du – neben Erbloggtes – auch mit so einem im Netz unterwegs?

ErbloggtesErbloggtes
Nur beruflich, und das in geringem Umfang. Ich stelle auch fest, dass Leute Klarnamen nutzen, die beruflich irgendwas Entsprechendes machen, die eine “öffentliche Person” sind: Politiker, Journalisten und Wissenschaftsblogger finden sich einige in meiner Twitter-Timeline. Aber sag mal, was meinst Du denn damit, dass bei Dir Online-Identität und bürgerliche Identität verschmelzen?

jhermesjhermes
Es ist natürlich immer ein Seiltanz, so zwischen realem Leben (ich scheue mal den Begriff bürgerlich) und Online-Identität. Natürlich entspricht das, was ich online so fabriziere, nicht 1:1 dem, das ich im Offline-Leben bin. Was ich mit Verschmelzung meinte, ist eine Art Erweiterung meiner Rollen aus dem täglichen Leben durch Online-Organe/Gliedmaßen, die ja auch für meinen Job als Wissenschaftler eine Rolle spielen. Insgesamt bemerke ich bei meinen Online-Auftritten auch eine Art Evolution bzw. Erweiterung der Nutzung. Als ich anfing zu twittern, hatte ich eine Kommunikationsplattform/Linksammlung für meine Studierenden im Sinn (hat nie funktioniert). Zu Beginn meines Blogs habe ich lediglich versucht, die Gedanken meiner Diss – meine Sicht auf Open Science – in ein paar Posts unterzubringen, auf dass vielleicht mal jemand auf sie aufmerksam wird. Inzwischen habe ich im Blog eine viel größere Themenvielfalt und Meinungstiefe (bilde ich mir zumindest ein); Twitter nutze ich seither – ohne es je verstanden zu haben – für 1000 Dinge, aus Werbezwecken, zum Zeitvertreib, um mich herzhaft zu amüsieren, um Leute zu trollen, um meine Meinung kundzutun, um mit euch das Kneipenlog zu gründen und zu managen und und und…

ErbloggtesErbloggtes
Identitätskonstruktion machen wir ja ständig und automatisch, bei Deiner Online-Identität sind nach und nach einige Aspekte hinzu gekommen. Bei mir übrigens auch: Ich weiß nicht, ob es das Wort Plagiatsjäger 2010 schon gab, aber geplant war die Entstehung dieses Interessenschwerpunktes in meinem Blog nicht. Ich versuche aber, bei meiner Identitätskonstruktion einigermaßen bewusst vorzugehen und die Zukunft mitzubedenken. Wenn ich nicht anonym wäre, müsste ich dabei viel stärker darauf achten, was für meine bürgerliche Identität akzeptabel ist oder möglicherweise sein wird. (Plagiatsjägerkram ist es nicht, denke ich.) Denn das Internet vergisst nicht. Und wenn Du mal nach Düsseldorf ziehst, wirst Du Dich ganz schön ärgern, dass jeder nachlesen kann, wie Du für den Genuss von Kölsch eingetreten bist. Ich sehe da starke soziale Sanktionsmechanismen, und ich bin nicht bereit, mich denen umstandslos auszuliefern. Deshalb würde ich derzeit – wenn ich nicht anonym wäre – lieber gar keine Spuren im Netz hinterlassen, aus denen man vielleicht schlussfolgern kann, ob ich Kölsch mag oder Alt.

jhermesjhermes
Meine Online-Aktivität, allen voran Twitter, ist zu einer Art Kommunikationsmodul geworden, das ich nicht mehr missen will – auch wenn es vielleicht gefährlich ist, unter einer verfolgbaren Identität soviel von sich herauszulassen. Andererseits: Ich beurteile Leute nicht nach ihren Biervorlieben. Und ich verlange von der Welt, mit mir auch so umzugehen.

Aber vergessen wir nicht, wer hier Interviewte|r ist: Sag mal, dein Blog ging ja in den letzten Monaten ganz schön steil, dazu die Ehre der Mitgliedschaft im Kneipenlog (*g*). Wie groß ist der Kreis, der Leute, die wissen, wer hinter Erbloggtes steckt?

ErbloggtesErbloggtes
Als ich anfing, habe ich ein paar engen Freunden mitgeteilt, dass ich fortan unter dem Namen blogge – vor allem für genau diese Leute. Eine Handvoll schaut auch ab und zu rein, kommentiert aber nie. Wenn wir uns treffen, sagen sie manchmal: “Hey, das war ja interessant” oder “Komische Diskussionen unter den Artikeln”. Aber das ist selten. Oft ist im wirklichen Leben ja auch jemand dabei, der nichts von meinem Doppelleben weiß. Und ich bin selbst manchmal nicht sicher, ob ich die Person seinerzeit eingeweiht habe. Ich kann mich nicht erinnern, bei einer solchen Gelegenheit zusätzlich jemandem verraten zu haben, dass ich ein Blog betreibe.

jhermesjhermes
Ich hab mich ja damit abgefunden, dass du mir nicht verraten wirst, was du neben dem Blog betreibst…

ErbloggtesErbloggtes
Tja, tut mir leid. Später habe ich vielleicht drei weiteren Personen verraten, wie der bürgerliche Name von Erbloggtes ist. Das war aber entweder ein Versehen oder eine Notwendigkeit. Es ist ja heutzutage kaum noch zu vermeiden, dass man online neue Leute kennenlernt, die sehr ähnliche Interessen haben, mit denen man spezifische Erfahrungen und auch ein gutes Stück einer Weltsicht teilt. Wenn das aber Online-Interessen, Online-Erfahrungen und Online-Weltsichten sind, ist es nicht erforderlich, einander auf physischer Ebene oder unter bürgerlichem Namen zu begegnen.

jhermesjhermes
Ja, aber das Ego. Ist es nicht auch ein wenig unbefriedigend, nur online auf die Schulter geklopft zu bekommen, wenn man gerade mal ein wenig Erfolg hat?

ErbloggtesErbloggtes
Wegen des Egos spreche ich ja von bürgerlicher Identität statt vom realen Leben. Denn Online-Schulterklopfen ist für mein Ego genauso real wie Offline-Schulterklopfen. Die Frage der Anonymität berührt da nur meine Fähigkeit, Schulterklopfer in berufliche Vorteile – und die dann in bare Münze umzuwandeln. Dieses Feature für das bürgerliche Leben ist, das muss man klar sagen, nicht vorhanden. Um mit Bourdieu zu sprechen: Auf dem symbolischen Kapital, das ein Blog mit den Jahren ansammelt, werde ich wohl sitzen bleiben. Glücklicherweise akkumuliert man beim Bloggen auch kulturelles Kapital, zum Beispiel Wissen über bestimmte Themen oder einfach die Fähigkeit, flüssig zu schreiben. Wenn Du mir online auf die Schulter klopfst, glaube ich jedes Mal, dass ich solches kulturelles Kapital besitze. Aber klar: Wenn man sich beim Bloggen sagen kann, dass es beruflich schon irgendwie nützlich sein wird, dann ist das natürlich auch schön. Ich habe aber eher das Gefühl, dass ich anonym authentischer bloggen kann, als wenn ich dabei immer irgendeine externe Nützlichkeit im Hinterkopf hätte. L’art pour l’art sozusagen.

jhermesjhermes
Andererseits kann ich mir auch vorstellen, dass es ganz lustig sein kann, so total anonym die Leute (zum Beispiel uns Kneipenloggers) zu narren, indem man sie vollkommen im Dunklen tappen lässt, was die eigene Person angeht.

ErbloggtesErbloggtes
Das war ja nicht geplant. Aber die Anonymität hat auch im Kleinen ihre Vorteile. Sie macht immer wieder bewusst, wie wir Menschen vorurteilshaft einschätzen (rosa = Mädchen) und dann in Schubladen wegpacken, aus denen sie kaum noch rauskommen (trinkt Kölsch = nicht ernstzunehmen).

jhermesjhermes
Pfft.

ErbloggtesErbloggtes
Und dabei ist egal, ob sie inhaltlich sehr kluge Sachen sagen. Denn was sie sagen, interpretieren wir ja vor dem Hintergrund unserer Vorannahmen – und bemerken wohl häufig nicht, wenn da unerwartet Schätze zu Tage treten. In diesem Sinne war Erbloggtes auch ein Versuch, sich weniger auf die Konstruktion einer Online-Identität zu konzentrieren, und mehr auf das, was ich jeweils sagen wollte. Ich wollte die Leute ja auch nicht mit meinem Renommee dazu bringen, zu glauben, was ich schreibe. Sondern ich habe mich immer um Belege und offene Argumente bemüht.

jhermesjhermes
Wenn du meinst, auf deinem symbolischen Kapital sitzen zu bleiben, gehst du davon aus, dass deine bürgerliche Existenz sich letztlich niemals zu Erbloggtes bekennen wird? Wird sie es möglicherweise eines Tages einfach sterben lassen? Oder es erst ganz am Ende mit ins Grab nehmen?

ErbloggtesErbloggtes
Die Frage ist doch eher, ob sich Erbloggtes mal zu einer bürgerlichen Existenz bekennen wird. Denn die Behauptung aufstellen, sie seien Erbloggtes, können ja heute schon beliebige bürgerliche Existenzen. Du zum Beispiel. Aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Erbloggtes sanft entschlummert. Denn Anonymität ist zwar schön, aber nicht von Dauer. Im Internet ist das zudem ziemlich unsicher. Im Prinzip könntest Du meine IP-Adresse herausfinden und – in Kombination mit anderen Daten – auch mit einiger Sicherheit meine Identität. Habt Ihr nicht extra ein Programm entwickelt, um mein Blog mit externen Schriftstücken zu vergleichen und mich bei einer Übereinstimmung zu enttarnen?

jhermesjhermes
Ja klar, allein für dich. Der Angriff über die Textanalyse dürfte allerdings nur funktionieren, wenn man zumindest Verdächtige mit Schriftproben hat. Ins Blaue hinein (d.h. Vergleich mit hunderten in Frage kommenden Personen) würde ich die Suche für statistisch aussichtslos halten.

ErbloggtesErbloggtes
Naja, jedenfalls wird die anonyme Benutzung des Internets ja immer weiter eingeschränkt, obwohl das Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit von Anonymität im Dienste der Meinungsfreiheit als nötig ansieht. Und wenn im Juli die Bestandsdatenauskunft in Kraft tritt, muss ich schon nochmal überlegen, wo ich mich so einlogge, und wie groß der Kreis derer ist, die leichten Zugriff auf meine Identität haben.

jhermesjhermes
Was meinst du – wird das Netz der Zukunft eher aus jhermesses oder aus Erbloggta bestehen? Werden die Hardcore-Anonyma zahlreicher werden oder haben demnächst alle bürgerlichen Personen wie selbstverständlich auch eine Netzidentität, über die sie sich austauschen, auch jenseits eines so geschlossenen Systems wie Facebook? Und wären sie dann noch bürgerlich?

ErbloggtesErbloggtes
Große Fragen! Ich bin doch kein Prophet.

jhermesjhermes
Aber eine Prophetin? Oder es findet sich hier jemand anders mit entsprechenden Fähigkeiten?

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9 Kommentare zu Interview mit etwas Unbekanntem

  1. hardy sagt:

    darf man hier auch einen earl grey oder einen oolong bestellen?

    rauchen, illegale substanzen zudem, darf man hier ja sicher eh nicht, oder?

    meine 2 cents zum thema anonymität:

    als das BKA noch keine computer hatte, um im spiegelforum mitzulesen, schrieb eigentlich jeder mit vollständigem namen, alle outeten sich früher oder später als kiffer und es wurden nette anekdoten über den konsum halluzinogener drogen ausgetauscht.

    den ersten troll, überzeugter focus leser, konnte ich da noch mit einer geschickt an einem andern ort (gerline) plazierten frage, was ich bitte beachten soll, wenn ich diese ecstasy pille konsumieren möchte, die mir jemand geschenkt hatte, zu seiner überraschung in eine vorzeitliche variante eines shitstorms verwickeln. alle hassten seine anti-drogen rethorik, damit hatte er nicht gerechnet.

    anonymität?

    pah! wir waren doch die herren der welt und “die anderen” dooooof, unfähig einen cFos treiber zwischen dos und windows zu schieben, um ihrer isdn vrbindung ein analoges modem vorzugauckeln. irgendwann saßen wir dann auf der terrasse oder vor’m kamin, qualmten die jahresernte und wussten, wie wir aussahen.

    früher halt, in den wilden zeiten, als das web noch ein paar irren gehörte.

    das erzähle ich jetzt nicht als heldengeschichte aus der antike, sondern um den unterschied klar zu machen – wir waren gut miteinander und befürchteten eben nicht, daß ein idiot unsere adressen sammelt, uns auswertet und uns dann spam zuschickte.

    daran hat niemand gedacht.

    als bobbelchen dann reklame machte, habe ich meinen namen vergessen und bin nur noch unter “hinterwald” durch das netz gesurft. das habe ich dann ein jahrzehnt durchgehalten und darauf geachtet, bloß nichts persönliches mehr zu erzählen, was irgendjemand gegen mich verwenden kann.

    weil plötzlich gab’s ja dieses google ding, das private wurde gläsern und irgendein kunde konnte nachgucken. naja, bei mir nur wenn er die waybackmachine kannte. kannten die meisten nicht und “hinterwald” war eben unverfänglich und etwas wie diese ecstasy nummer. jedenfalls kein “one love” mehr (mein signum in frühen tagen).

    dann kamen facebook und diese ganzen sozialen dinger, das netz verwandelte sich in einen laufsteg voller exhibitionisten. da tat ich mir noch schwer, bei tv3.de im blogpod überhaupt das wort “ich” in den mund zu nehmen und strich es immer raus, wenn es mir mal in die tastatur hüpfte, weil es mich genierte.

    ab einem gewissen punkt, als ich meinen dritten blog (hinterwaldwelt) eöffnete (es gibt da irgendwo noch “deutschland nervt” von 2005), fiel mir das mit dem “ich” am anfang auch noch schwer, aber ich konnte zumindest mal mein gesicht zeigen.

    dann gab es diesen wunderbaren artikel (fickt euch ihr verdammten ficker!), bei dem mir klar wurde, daß die ganze höflichkeit, der versuch, dezent zu sein, nur verschwendete energie ist, eher ein komplex als eine vorsichtsmaßnahme und es eigentlich besser wäre, einfach nur noch die sau rauszulassen und zu der person zu stehen, die ich nun mal bin, mit meinen ganzen schrägen ideen.

    weil, wenn ich nicht mit meinem gesicht und meinem namen zu dem stehe, was ich manchmal so abfeuere – wer tut es dann? die mit dem gesicht und dem namen in den sozialen netzwerken, die sich vollkommen ungeniert als das große ICH präsentieren, jedenfalls leider aus meiner sicht nicht. da erlebe ich eher das gerangel um einen platz in der meute.

    also lasse ich jetzt halt ungeniert raus, was raus muss, weil ich es auch ein bißchen als späte revolte gegen dieses einer “geprügelten generation” eingebläute “sei ernst, sei zurückhaltend, halt den ball flach!” verstehe. die welt hat sich verändert … interessanterweise in “meine richtung” und alles, was “früher” noch als schräg galt ist heute massenkompatibel (horrorfilme, serien, rock-musik und all das).

    auf der anderen seite verstehe ich, daß der “erblogger” wahrscheinlich allen grund hat, anonym zu bleiben und respektiere das, weil er dinge tut, die ihm ärger einbringen würden. das web ist ja heute nicht mehr nett, es ist voller ######### (oder hätte ich hier arschlöcher sagen dürfen?), die miesepetrig dem anderen ans bein pinkeln möchten.

    er/ihr steckt in berufen, in familien, in einem freundeskreis, der das vielleicht nicht schätzen würde und es fehlt euch (wahrscheinlich zurecht) die unbekümmertheit, mal kurz nackt auf den tisch zu klettern und hemmungslos zu tanzen – und das ist okay so.

    lange rede, die letzte, die ich halte, bevor ich für ne woche abtauche.

    ach ja: natürlich nenne ich nur meinen vornamen, die mühe, meinen ganzen herauszutüfteln müssen sich die ######### schon selbst machen, wobei wir hier wissen sollten, daß in drei vier jahren irgendsoeine semantiksoftware uns schon an unseren worten erkennen und dann outen wird.

    die anonymität ist also nur ein temporärer zustand. nutzt ihn, so lange er hält, aber gebt euch nicht der illusion hin, daß er ewig hält. zum trost kann ich nur sagen, daß dann, wenn sie sich in luft auflöst, sich die welt wieder weiter entwickelt hat, und wenn ihr dann politiker, professoren, chefs oder so was seid, keine FAZ euch den studienabbrecher mehr unter die nase wird reiben können, ihr werdet dann eher mit einer generation konfrontiert sein, der diese ehrpusselei so was von egal ist und die “real cool kids” euch eher unter “real cool oldies” einordnen werden.

    in diesem sinne, grüße in die runde …

  2. MS sagt:

    Um nochmal eine etwas ernsthaftere Frage zu stellen: Wie stark anonymisierst du dich mit technischen Hilfsmitteln? Könnte etwa eine interessierte Stelle deine Identität problemlos mit den IP-Logs von WordPress.com und deinem Provider aufdecken? Oder hängen bei dir noch weitere Sicherheitsmaßnahmen dahinter?

    • Erbloggtes Erbloggtes sagt:

      Also die Bundesstelle für Fernmeldestatistik hat mir neulich eine Übersicht über die benutzten IP-Adressen zugeschickt. Daraus geht hervor, dass manchmal ein verräterischer Anschluss identifizierbar wäre (weshalb ich den Juli fürchte), manchmal nicht, und dass für die echten Anonymi mitsamt krimineller Energie das WWW ohnehin nicht der richtige Ort ist.

  3. Mareike sagt:

    So, hallo auch! Garçon, hier müsste irgendwo eine Flasche Champagner für mich kalt stehen. Merci! Ja, dann: santé erstmal. Höchst interessantes Gespräch, das Ihr hier da habt. Ich würde gerne noch mal auf das Anonym-im-Netz-sein an sich zurückkommen.

    Du gibst mehrere Gründe an für die Anonymität im Netz, Erbloggtes, und ich frage mich, in welchem Spannungsverhältnis diese stehen und welche überwiegen. Der eine übergeordnete Grund für Anonymität könnte man mit „Schutz der Person“, umschreiben, den man z.B. als Plagiatsjäger für sich in Anspruch nimmt. Die eigene Person wird gänzlich zurückgenommen, denn um die geht es dabei nicht. Das leuchtet mir beides ein und dazu habe ich auch keine Fragen.

    Der andere übergeordnete Grund, natürlich mit dem Schutz der Person verbunden, doch in gewisser Weise fast das Gegenteil, ist die Freiheit, sich ohne Einschränkung zu zeigen, ja: authentischer zu sein, weil man beispielsweise frei von Nützlichkeiten ist, wie Du sagst. Da würde ich gerne nachfragen. Zunächst: Sind nicht alle Online-Identitäten in gewissem Maße „unauthentisch“, weil „gemacht“? Oder auch: Kann man anonym überhaupt authentisch sein oder fehlt da nicht immer etwas?

    Was mir auch unmittelbar einleuchtet ist, dass man die Beiträge anonymer Personen anders liest, weil man frei von dem Erwartungshorizont ist, den man einer Person, deren Status man kennt, gegenüber mitbringt. Im Prinzip könnte man ja auch als Leserin die Personen anonymisieren, indem man eben nicht auf das Impressum oder auf „Über das Blog“ klickt und sich nicht das Twitterprofil durchliest, sondern nur die Texte wirken lässt. Machst Du das? Wie liest Du die Beiträge von anderen Personen im Netz?

    Und schließlich: Gibt es Momente, in denen Du Deine Anonymität bereust?

    • Erbloggtes Erbloggtes sagt:

      Danke schön, Deine Fragen sind gut! Lass mich zuerst noch anmerken, dass der Schutz der Person erstmal Schutz vor Enteignung des Selbst durch Institutionen ist, die mich durch ihre Datensammlungen in mancher Hinsicht womöglich besser kennen als ich mich selbst. Die Herrschaft über meine persönlichen Daten möchte ich nicht “einfach so” aufgeben.

      Zur Spannung von Authentizität und Nützlichkeit: Gemacht ist ja alles Kulturelle, also auch das Authentische. Aus der Aufklärung über die Romantik bis zu Marx, und weiter in die Ideologie des “Unpolitischen” in Deutschland, speziell in der Wissenschaft, zieht sich der Faden der “Interessen”, die die Wahrheitssuche kompromittieren. Sie sind demnach das Gegenteil des Authentischen.
      Wenn meine bürgerliche Existenz an meine Online-Identität gebunden wäre, würde ich zweifellos meine konkreten “Interessen” (materiell, gesellschaftlich, karrieretechnisch) berücksichtigen müssen, wenn ich etwas blogge. Das würde mich vom Bloggen aber weitgehend abhalten. Denn wenn man kein ausdrückliches Nützlichkeitskonzept des eigenen Bloggens besitzt (z.B. weil man Geld dafür bekommt, sich damit Reputation erwirbt oder ein gesellschaftliches Interesse, die eigene Partei oder Organisation damit befördert), dann stellt jedes Bloggen ein schwer wägbares Risiko dar. Man kann sich blamieren, verklagt werden oder von jemandem als “Gegner” identifiziert werden, so dass man nachher Ärger hat, den man ohne Bloggen nicht hätte. “what if someone in power over you does not like what you are doing?”, fragt die anonyme Wissenschaftsbloggerin Scicurious.
      Anonym muss ich solche Ängste nicht haben. Ich kann sogar schlimme Dinge über meinen Arbeitgeber schreiben ohne rauszufliegen. Die Kosten, die das beim Bloggen mitbringt, sind natürlich, dass ich gar nicht erst sagen kann, dass dies mein Arbeitgeber ist, ich also Einblick in die internen Zustände habe. Ich will auch gar nicht behaupten, dass ich durch Anonymität völlig interesselos bloggen würde. Aber die mächtigen konkreten persönlichen Nützlichkeits- oder Schädlichkeitsabwehr-Interessen, die bemerke ich nicht so.

      Zu meinen Lesegewohnheiten: Ich denke nicht, dass es sinnvoll ist, davon zu sprechen, dass man als Leser jemanden anonymisieren könne, der nicht schon anonym ist. In der Tat lese ich häufig Texte, ohne zu wissen, wer sie geschrieben hat. Zeitungsartikel, Wikipediaartikel. Oder Texte, deren Autor/in ich vorher nicht kannte, und über die oder den ich auch nicht mehr weiß, wenn ich den bürgerlichen Namen erfahre. Eine wichtige Funktion des bürgerlichen Subjekts als Autor/in ist ja die Beglaubigung des Inhalts. Das macht die Autorität aus. “Ich heiße Erna Rosenblatt und denke das, was im folgenden Text steht”, das ist die Message, die mit dem Autornamen über einem Text verbunden ist. Man kann auch “Erna Rosenblatt, Hamburg” schreiben, sofern der Wohnort eine Art Beglaubigungsaufgabe hat.
      Diese Art Autorität, Beglaubigung und Autorschaft, haben sich jedoch in der Postmoderne aufgelöst. Schlicht gesagt: Wir erleben täglich so viele Lügen und unabsichtliche Falschheiten, die unter Klarnamen geschrieben stehen, dass ein bürgerlicher Name nicht mehr Wahrheit verbürgt. Beglaubigung wird heute anders erzeugt, etwa durch die konkrete Detailschilderung, die den Eindruck erweckt, dass jemand “live dabei” war. (Auch das löst sich auf, wenn Leute Journalistenpreise für Besuche bei Seehofers Modelleisenbahn bekommen, die nie da waren.) Oder durch Argumente, die nicht von der Person des Autors abhängen. Das schließt natürlich manche Themen oder Herangehensweisen für ein Anonymum aus: Geschmacksurteile und vom persönlichen Erleben Ausgehendes machen nicht so viel Sinn in meinem Blog, kommen aber trotzdem vor. Sie können Beglaubigung wohl nur daraus ziehen, dass jemand Erbloggtes bereits kennt und eine gewisse Credibility zubilligt.
      Nicht zuletzt erwächst Credibility, Autorität, Beglaubigung aber auch aus Schreib- und Denkstil. Die Ähnlichkeit zu eigenen Schreib-, Lese- oder Denkgewohnheiten bemerken wir oft gar nicht bewusst. Unähnlichkeit empfinden wir aber häufig als irritierend. Wer intuitiv einleuchtend findet, was ich so schreibe, tut das recht wahrscheinlich, weil er oder sie so ähnlich schreibt, liest oder denkt. Ich habe da übrigens in der Anfangszeit mal eine Analyse über Stilfragen durchführen lassen. ;)

      Ob ich meine Anonymität bereue? Sie hat einen Preis. Aber den bin ich bereit zu zahlen. Zumal ich ja den Vorteil habe, dass ich Euch Nicht-Anonymen einfach die Hand schütteln kann und mich heimlich freuen, dass ich Euch mal persönlich treffe. – Unfair, nicht wahr? Aber vielleicht gebe ich Euch ja dann einen aus.

  4. Pingback: Anonymität im Internet | Erbloggtes

  5. MS sagt:

    Die besten Verschwörungstheorien zur Identität von Erbloggtes:

    1) Es handelt sich bei ihm um den Freiherren Karl-Theodor zu Guttenberg, der jetzt nach seinem erzwungenen Rücktritt die Schändlichkeit seines Tuns eingesehen und sehr viel Zeit hat. Wie ein akademischer Batman widmet er sich jetzt mit aller Energie anderen Doktorbetrügern. Bester Hinweis: Erbloggtes fing genau 2 Wochen nach dem Rücktritt mit dem Bloggen an.

    2) Erbloggtes ist ein Agent Provocateur des Verfassungsschutzes. Die Bloggerszene hat ja aktiv am Sturz mehrerer Politiker mitgearbeitet und diese staatsschädlichen Umtriebe lassen sich nicht dulden! Aus der Anonymität heraus soll diese Szene daher aufgeklärt werden. Hinweis: In einem Chat am 23.4.2011 benutzte Erbloggtes eine IP der Bundesstelle für Fernmeldestatistik.

    3) Erbloggtes ist der Schlagersänger Mickie Krause, der in Wirklichkeit hochintelligent ist, aber dies nicht öffentlich zeigen kann. Das anonyme Bloggen ist seine Variante damit umzugehen. Hinweis dafür: Die ersten 27, mittlerweile gelöschten Beiträge des Blogs beschäftigten sich in allen Details mit der Mallorca-Schlagerszene.

    4) Es handelt sich bei Erbloggtes um jemanden, der bei seiner Doktorarbeit gepfuscht hat und jetzt von Gewissensbissen geplagt wird. In Wirklichkeit wünscht er sich nichts mehr als dass Vroniplag sich endlich auch mal seine Dissertation über das poststrukturalistische Paarungsverhalten des europäischen Iltis anschaut und ihn entlarvt. Hinweis: Am 12.11.2012 veröffentlichte er nachts um 4 einen offenbar betrunkenen geschriebenen Artikel, in dem er seinen Betrug beichtete. 4 Minuten später verschwand der Artikel

    5) Erbloggtes ist Jan Fleischhauer. Fleischhauer lebt bekanntlich zurückgezogen in einer Höhle im Hunsrück und schickt seine Kolumnen und Blogposts per Briefpost an die Redaktion. Die von ihm mit dem Transport zum nächsten Briefkasten beauftragten Dorfjugendlichen haben sich den Spaß gemacht und sie durch den bekannten Unfug ersetzt. Hinweis dafür: Sowohl Fleischhauer-Kolumnen als auch Erbloggtes-Beiträge erscheinen zeitlich genau in der Zeitspanne, die eine Sekretärin benötigt, um sie nach Erhalt der Post abzutippen.

    • Erbloggtes Erbloggtes sagt:

      Mir wurde soeben von einem sympathisierenden Leser die besorgte Vermutung zugesandt, hinter Erbloggtes stecke ein ehemaliger Pressesprecher der CDU, der 2010 enttäuscht aus dem Politbetrieb ausschied und seitdem als PR-Berater aktiv ist. Die in meinen Artikeln (mit Spürnase!) auffindbaren Hinweise dazu solle ich lieber entfernen, um meine Anonymität nicht zu gefährden.

      Dabei habe ich die 27 gefährlichsten Hinweise ja schon lange gelöscht. Mickie Krause heißt übrigens in Wahrheit Michael Engels und ist ein gläubiger Katholik (wollte schon Kommunist schreiben, aber das wäre ein Fehlschluss vom Namen her).

    • Erbloggtes Erbloggtes sagt:

      Neuerdings kam der Verdacht auf, ich gehörte aktuell oder ehemals zum Kreisvorstand der Piraten in Ulm/Alb-Donau.

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